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André Krings

Interim Executive Manager

Warum die Nichtbeachtung kultureller Unterschiede Produktionsverlagerungen, PMIs, Unternehmenszukäufe oder auch Privat Equity Investitionen scheitern lässt

Die Nichtbeachtung kultureller Unterschiede ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Frage geht, warum Produktionsverlagerungen oder die Integration von akquirierten Unternehmen in der Praxis scheitern.

Technische Prozesse sind planbar und können nach Best Practice kopiert werden. Maschinen und Anlagen werden identisch installiert – kein Problem. Qualitätsstandards sind definiert und in Form von Zeichnungen auch klar überprüfbar – ebenfalls kein Problem. Doch was ist mit dem Faktor Mensch? Mit seinem gelebten Verständnis von Liefertermintreue, Qualität und Best Practices? Lesen Sie hier, inwiefern die Beachtung oder Nichtbeachtung kultureller Unterschiede über den Erfolg oder Misserfolg einer Produktionsverlagerung bzw. -integration entscheidet.

Worum geht es?

Produktionsverlagerungen, Merger & PMI Szenarien oder die Akquise von Unternehmen durch Privat Equity Investoren haben immer Eins gemeinsam: Es geht um die Integration von Unternehmensteilen bzw. das Outsourcing von Produktionsprozessen oder ganzen Produktionen. Um diesen Beitrag nicht in eine kleine Dissertation ausufern zu lassen, beschränke ich mich hier auf den wesentlichen Faktor – den maximalen wirtschaftlichen Erfolg des Projektes.

Merger , PMI Szenarien oder Unternehmenszukäufe 

Es spielt keine Rolle, um welches der drei Szenarien es konkret geht – fast immer wird der gleiche Fehler begangen: Das zu übernehmende oder zu integrierende Unternehmen wird mit Hilfe einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen einer Due Diligence komplett durchleuchtet. Das muss und soll so sein, um:

  • den Kaufpreis zu vereinbaren,
  • die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit darzulegen,
  • etwaige finanzielle Risiken bloßzulegen und
  • weitere Maßnahmen zu identifizieren und abzuleiten, um die Transaktion wirtschaftlich attraktiver zu gestalten.

Was aber ist mit der Cultural Due Diligence?

Abseits von Zahlen, Daten, Fakten (ZDF)? Abseits von wirtschaftlichen und buchhalterischen Kennzahlen? Kulturelle Unterschiede in Übernahme-Szenarien lassen sich eben nicht in ZDF ausdrücken und führen im besten Fall nur zu erheblichen Mehrkosten, oft zu unterbrochenen Lieferketten oder zum Scheitern der ganzen Transaktion.

Sehr oft wird auch eine technische Due Diligence nicht, oder nur oberflächlich, durchgeführt. Dies führt oft nicht nur zu erheblichen, ungeplanten Investitionen, sondern auch zu gestörten Lieferketten und einem stark verminderten ROI.

Die Nichtbeachtung der kulturellen Unterschiede bzw. die Nichtdurchführung einer Cultural Due Diligence ist bei Weitem der größte Fehler. Sie fragen sich, warum das so ist?

Hier die Begründung:

Kulturelle Unterschiede können so heftig sein, dass sie Projekte komplett scheitern lassen, zu deutlicher Verzögerung in der Umsetzung führen sowie Lieferketten vollständig unterbrechen und Kundenbeziehungen gefährden. Der wirtschaftliche Nutzen ist häufig dahin bzw. ad absurdum geführt. Unterschiedliche Auffassungen von Geschäftsprozessen und Wertvorstellungen sowie scheinbar simple Sprachbarrieren und kulturell bedingt unterschiedliche Verhaltensmuster gefährden die Umsetzung des Projektes und machen gerade auch vor dem Management nicht Halt:

Globale kulturelle Differenzen

Sprachbarrieren: Bis auf den Werkleiter und vielleicht noch dem Produktionsleiter spricht und versteht niemand Englisch (Deutsch schon einmal gar nicht). Wie kommunizieren Sie also auf dem Shopfloor? Wie vermitteln Sie Details auf den Zeichnungen, die englische oder deutsche Anmerkungen haben? Wie sichern Sie qualitätsrelevante Themen auf dem Shopfloor ab? Wie diskutieren und implementieren Sie Prozessthemen auf dem Shopfloor? Sicher, das lässt sich alles irgendwie lösen! Nur kostet es Zeit, Geld und führt zu Instabilität in der Lieferkette.

Regionale Managementkultur: Oft stehen osteuropäische Länder im Fokus, wenn es um Verlagerungen geht. Hier zeigt die Erfahrung, dass eine Veränderung der Sichtweisen auf historisch / politisch geprägte Standards, Prozesse und Kommunikationsmuster häufig Generationen dauert. Das schließt explizit das Top-Management mit ein. Auch dies lässt sich sicherlich lösen, kostet aber ebenfalls Zeit, Geld und führt zu Instabilität in der Lieferkette.

Länderspezifische kulturelle Unterschiede hören sich zunächst banal an, sind in der Praxis aber ein echter Stolperstein:

    • Beginn 14:00 Uhr. Es ist 14:00 Uhr und die Teilnehmer trudeln nach und nach ein – völlig normal in anderen Kulturkreisen.
    • Beamer? Gibt’s nicht.
    • Verbindliche Absprachen werden als nicht verbindlich aufgefasst, weil einfach bisher so nicht danach gelebt wurde.
    • Überstunden oder Extraschichten? Fast nicht umsetzbar, da die Entlohnung so unattraktiv ist, dass zusätzliche Arbeitszeit für den einzelnen Werker keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt. Der Zweitjob dann schon eher.
    • „Just now“ bedeutet „irgendwann“.
    • Die Bereitschaft (Eigen-)Verantwortung zu übernehmen oder pro-aktiv den nächsten Prozess- bzw. Handlungsschritt zu planen, ist häufig nicht vorhanden – ebenfalls auf Grund des Entlohnungsmodells: Es wird genau das getan, wofür man entlohnt wird – und nicht mehr.
    • Der Team-Gedanke existiert nicht, das Arbeiten in Silos und die persönliche Reputation stehen im Vordergrund. Auch das ist häufig dem Entlohnungssystem geschuldet.
    • „Führung“ bedeutet oft eine stark hierarchisch ausgeprägte Führungskultur, in der das Kollektiv eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt: In der Praxis heißt das, dass alle Prozesse nur über das Top-Management eingespielt werden können. Gibt es hier (kulturell bedingte) Widerstände, führt das zu enormem Zeitverlust und deutlichen wirtschaftlichen Nachteilen.

Operativ und in der Praxis bedeutet das: 

Management-Struktur:
Die Aufbau- und Ablauforganisation unterscheidet sich grundlegend und lässt sich so nicht integrieren. Ansprechpartner fehlen, Verantwortlichkeiten sind völlig anders organisiert oder nicht vorhanden. Auch das hört sich zunächst simpel an, doch in der Praxis entstehen hier echte Baustellen mit Auswirkung auf Lieferketten und Kundenbeziehungen.

Unternehmerischer Scope:
Der Fokus liegt auf dem eigenen, standortspezifischen, wirtschaftlichen Ergebnis. Das Zusammenwirken in einer Gruppe, mit dem Ziel, die Gruppe zu stärken, wird nicht verstanden und das Handeln (des Managements) ist dementsprechend nach innen gerichtet. Dies bedeutet, dass Entscheidungen blockiert werden, was wiederum negative Auswirkungen auf das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis hat.

Shopfloor:
Es gibt häufig eigene, standortbezogene Prozesse, die absolut relevante Themen, wie Qualität (Toleranzen bzgl. Zeichnungen, Prüfanweisungen, Schweißvorgaben etc.), Produktionsstandards (Frozen Zone, Losgrößen, Prüfmittel, Stichproben, Dokumentation etc.) oder Produktionskennzahlen (KPI), betreffen. In der Praxis führt dies zu erheblichen Diskussionen mit enormer Zeitverzögerung und Irritationen bzgl. der Lieferkette und des Kunden.

Standortbezogene Sub-Kultur:
Oftmals gibt es jahrzehntelang gewachsene standort- bzw. unternehmensspezifische Sub-Kulturen, deren Ursprung nicht in den länderspezifischen Unterschieden begründet liegt. Diese gewachsenen und gelebten, standortspezifischen Strukturen prägen das soziale Verhalten der Menschen lokal im Unternehmen, das soziale Verhalten untereinander, die Kommunikationskultur – nach innen und außen, sowie die hierarchisch geprägte Verantwortungspyramide. Aus meiner Erfahrung ist eine Veränderung dieser lokalen und standortbezogenen Kultur nur über Jahre möglich. Es gilt also unbedingt, diese Unterschiede zu erkennen und Differenzen zu adaptieren, um eine zeitliche Verzögerung des Projektes zu vermeiden und somit wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.

Was bedeutet das nun?

Eine Entscheidung, eine Produktion zu verlagern, ein Unternehmen zu akquirieren oder einen Merger durchzuführen, darf niemals ausschließlich aufgrund rein betriebswirtschaftlicher Faktoren getroffen werden.  Eine Entscheidung im Kontext von Wirtschaftlichkeit (ZDF) zu kulturellen Differenzen zu technischen Parametern ist unerlässlich, um den vollen Nutzen aus dem Deal zu ziehen. Die Vernachlässigung einer der Faktoren führt erfahrungsbezogen zu einem Scheitern des Projektes oder zumindest zu einem deutlich reduzierten wirtschaftlichen Nutzen.

Was lernen wir daraus?

Ob Merger, Unternehmenszukauf oder Produktionsverlagerung – die klassische Due Diligence bzw. die Entscheidung der Produktionsverlagerung ohne eingehende Beachtung der kulturellen Unterschiede birgt ein immenses Risiko. Für kleinere KMU, ohne finanzielle Stärke, kann das den Untergang bedeuten (Stichwort: Produktionsverlagerung). Sicherlich kommen bei einer Cultural Due Diligence nicht alle Details zwangsläufig an die Oberfläche. Jedoch lassen sich durch die Cultural Due Diligence im Vorfeld Risiken ableiten und Maßnahmen aufsetzen. Eine Risikoanalyse kann getroffen werden und Maßnahmen zur Minimierung des Risikos (Risk Mitigation) können festgelegt werden.

Der entscheidende Faktor über den Erfolg oder Misserfolg eines Projektes ist also NICHT nur die rein wirtschaftliche Betrachtung – sondern die Einbeziehung der kulturellen Differenzen in den Deal.

Die „liebe“ Technik – Kann die das überhaupt!?

Technische Due Diligence

Jetzt setzen wir einmal die Standard Due Diligence und auch die Cultural Due Diligence als durchgeführt voraus. Es gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der heftige Auswirkung auf den wirtschaftlichen Erfolg des Projektes hat: die technische Due Diligence.

In der Praxis wird eine technische Due Diligence allenfalls halbherzig umgesetzt. Der CTO schaut sich die Prozesse, einschließlich vorhandener Maschinen und Anlagen, an, ohne in die Tiefe abzutauchen. Genau hier liegt jedoch der „Hund begraben“: Sind die technischen Anforderungen mit den vorhandenen Maschinen und Anlagen tatsächlich umsetzbar? Hier kommt es auf die Details an:

  • Rohrprofil Biegeanlagen: vorhanden. Jedoch: welche Toleranzen können sie halten?! Passt das überhaupt?
  • Schweißroboter: vorhanden. Jedoch: sind die auch Laser-geführt?! Oder nur taktil?
  • Schweißgeräte: vorhanden. Jedoch: Puls oder nicht?! Parameter am Rüssel einstellbar oder nicht?
  • Kantanlagen: vorhanden. Jedoch: was ist die maximale Breite?!
  • Messequipment: vorhanden. Jedoch: erfüllt das vorhandene Equipment im Messraum die vom Kunden geforderten Parameter? Sind die vorhandenen Messmittel kompatibel?
  • Lackieranlage: vorhanden. Jedoch: was ist die maximale Kapazität?! Bestandsschutz?!
  • Montagelinie: vorhanden. Jedoch: sind die vorhandenen Stationen ausreichend?! Kann die Montagelinie verlängert werden?! Sind die entsprechenden Hilfsmittel vorhanden?!

All diese Punkte – und in der Realität noch sehr viel mehr – können zu notwendigen Investitionen führen, die so im Vorfeld im Rahmen des Deals nicht budgetiert waren. Darüber hinaus entstehen neben den zusätzlichen Kosten Verzögerungen durch Lieferzeiten seitens der Lieferanten der benötigten Maschinen und Anlagen. Dies wiederum führt zur Verzögerung des gesamten Projektes – einschließlich der Gefährdung der Lieferkette zum Kunden plus Unglaubwürdigkeit für den Kunden. Ganz zu schweigen von der benötigten Zeit für die Inbetriebnahme etwaiger neuer Maschinen und Anlagen plus Erstmuster und PPAP und… und… und…

Meine Erfahrung aus durchgeführten Produktionsverlagerungen und PMI, zeigt, dass die Evaluierung der technischen Machbarkeit mit den vorhandenen Maschinen und Anlagen eine wesentliche Rolle spielt. Im schlimmsten Fall sind erhebliche Investitionen zu tätigen, die den wirtschaftlichen Erfolg in Frage stellen oder den ROI des Projektes um Jahre zurückwerfen. Für manch ein KMU bedeutet dies schlichtweg das Aus.

In a nutshell …

Die Kombination aus Nichtbeachtung kultureller Unterschiede (Cultural Due Diligence) UND fehlender Berücksichtigung der technischen Parameter (technische Due Diligence), vor dem eigentlichen Deal bzw. Projektstart, ist definitiv fahrlässig und führt in der Praxis häufig zu einem Scheitern des Projektes. Für ein kleineres KMU ist das bestandsgefährdend – für eine Gruppe oder einen Investor bedeutet es wirtschaftlichen Misserfolg – anders ausgedrückt: Verbrennen von Geld.
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André Krings

Für einen Erfahrungsaustausch mit operativem Bezug stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung! Als Interim Manager bringe ich Führungsstärke, strategische Kompetenz und eine zielorientierte, hands-on Arbeitsweise mit.

Mein Fokus liegt auf der Steigerung von Prozesseffizienz und Profitabilität durch pragmatisches Lean Management. Ich bin eine werteorientierte, empathische Führungspersönlichkeit mit Kommunikationsstärke, Sozialkompetenz und interkultureller Erfahrung.

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